Mediation ist ein Konfliktregelungsverfahren, das auf vielen Sektoren (z. B. Wirtschaft, Politik, Umwelt, Schule, Nachbarschaft) Anwendung findet. Im familiären Bereich bezieht sie sich auf die Regelung von Konflikten in ehelichen, nichtehelichen und nachehelichen Beziehungen (z. B. zwischen Paaren, Eltern und Kindern, Herkunfts- und Fortsetzungsfamilien). Sie strebt nach sachlichen Lösungen, die auf einer Verständigung der Konfliktpartner beruhen. Ein besonders wichtiges Gebiet ist die Trennungs- und Scheidungsmediation. Sie befasst sich hauptsächlich mit den Trennungs- und Scheidungsfolgen, insbesondere mit der Neuordnung der elterlichen Verantwortung, der Finanzierung der Einzelhaushalte, der Vermögensauseinandersetzung, der Alterssicherung, der Hausratsteilung und Klärung der Wohnsituation.
Mediation antwortet auf die Frage der Betroffenen, wie sie gemeinsame Entscheidungen selbstverantwortlich im Verständnis der eigenen Situation, der/des anderen und ihrer jeweiligen Realität konstruktiv erarbeiten können. Diese sollen fair sein und eine tragfähige Grundlage für die Zukunft bilden. Basis der Entscheidung ist die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit der (Zukunfts-) Interessen aller Beteiligten. Der eine soll nicht auf Kosten des anderen gewinnen. Gesucht wird vielmehr nach doppeltem Gewinn durch Wertschöpfung, indem Ressourcen aktiviert und Synergien gebündelt werden. Auf ihrem Weg werden die Konfliktpartner/innen von methodisch geschulten und fachlich versierten Mediator/innen begleitet. Der Mediator / die Mediatorin ist verantwortlich für die strukturelle Vorgehensweise der Mediation mit ihrer zeitlich logischen Abfolge und ihrem Bestreben, destruktive Handlungen in konstruktive Verhandlungen zu verwandeln. Der Mediator / die Mediatorin hält sich in den inhaltlichen Entscheidungen zurück und gewinnt hierdurch die Kraft, die Konfliktpartner in ihrem Einigungsbemühen durch Stärkung ihrer Dialog-, Verhandlungs- und Gestaltungsfähigkeit zu unterstützen.
Mediation wird von jenen Betroffenen bevorzugt, die die Entscheidung in ihren familialen Zukunftsperspektiven bei solch einschneidenden Ereignissen wie Trennung und Scheidung persönlich treffen und nicht delegieren wollen. Für diese Personengruppe bietet Mediation unter allen übrigen Angeboten zur Konfliktbearbeitung die beste prozedurale Kompetenz.
In der Bundesrepublik hat sich Familien-Mediation in stärkerem Maße seit 1989 etabliert. Wir konnten dabei auf Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern und vor allem aus den Vereinigten Staaten zurückgreifen.
Mediation ist ein Verfahren, das seine Methodik und Handlungskompetenz aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen bezieht. So ist auch die nachfolgend beschriebene institutionelle Entwicklung der Mediation ihrer Natur entsprechend sowohl von Angehörigen der psychosozialen Berufsgruppen als auch von Juristen getragen worden. Das die Zusammenarbeit infolge der unterschiedlichen Sichtweisen, eingelernten Sprachregelungen und gewohnten Fokussierungen nicht immer leicht war, versteht sich von selbst. Allerdings machte das wachsende Verständnis voneinander ganz im mediativen Sinne gerade auch den Reiz der Zusammenkünfte aus.
Mediation entwickelte sich in der Bundesrepublik regional. Grundlage waren Seminare amerikanischer Trainer (u. a. Gary Friedman, Jack Himmelstein, John Haynes, Florence Kaslow, Stanley Cohen). Die Praxis nahm zu.
Anfang 1992 war die Zeit reif geworden, die örtlichen Arbeitskreise in einer Bundes-Arbeitsgemeinschaft überörtlich zu verknüpfen. Hierzu ergriff der seit 1989 existierende interdisziplinäre Münchner Arbeitskreis Mediation die Initiative und lud im Vorfeld einer Tagung in der Evangelischen Akademie in Bad Boll zu einer konstituierenden Sitzung der „Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation“ (BAFM) ein.
Bewusst nahmen wir anfangs davon Abstand, dem Verband von vornherein eine feste Form, etwa eine Vereinssatzung, zu geben. Wir wollten zunächst die weitere Entwicklung abwarten, um eine rechtliche Form zu finden, die dazu passte. Rückblickend lässt sich sagen, dass wir gut daran taten, uns Zeit zu lassen und die Geduld aufzubringen, die institutionalisierenden Ordnungen aus unserer praktischen Erfahrung wachsen zu lassen. Professionalisierung, Qualifizierung und Vernetzung mündeten in die drei nachfolgend beschriebenen Richtlinien und Satzungen:
Im ersten Jahr beschäftigten wir uns in vielfachen Treffen mit den Richtlinien. Es war uns bewusst, daß Mediation zur qualifizierten und seriösen Ausübung klare Vorgaben und Grenzen braucht. Hierbei waren mehrere Besonderheiten zu beachten:
Bei der Formulierung konnten wir auf ausländische Vorbilder zurückgreifen. Gleichzeitig war uns daran gelegen, den deutschen Besonderheiten ihren Platz einzuräumen. Die Diskussionen hatten ihren Reiz und ihre Schwierigkeit darin, dass wir als PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, BeraterInnen, TherapeutInnen, AnwältInnen, RichterInnen und Hoch-schullehrerInnen eingelernte Sprachregelungen und liebgewordene Vorstellungen aufgeben mussten, um zu einer Verständigung zu gelangen.
Inhaltlich war zu definieren:
Zum Schluss war Konsens erreicht, im Bewusstsein einer gewissen Vorläufigkeit. Die Richtlinien wurden letztendlich einstimmig, nach einem Jahr Diskussion, im Herbst 1993 verabschiedet.
Durch die inhaltliche Diskussion war der Boden bereitet, die inzwischen gemachten regionalen Erfahrungen in einer institutionalisierenden Satzung der BAFM zu bündeln. Im Bewusstsein, dass Mediation über die regionale Vernetzung mit ihren Möglichkeiten einer fachübergreifenden Kooperation zwischen Anbietern und Nichtanbietern, einer indikationsbezogenen gegenseitigen Zu- und Verweisung und einer feldbezogenen Unterstützung der Mediator/innen untereinander wachsen wird, gibt es Aufgaben, die nur ein überörtlicher Zusammenschluss wahrnehmen kann.
Nach außen:
Nach innen:
An der Grenze zwischen innen und außen:
Die Satzung ist so ausgelegt, dass ordentliche Mitglieder der BAFM nur Personen werden, die eine Ausbildung haben und deshalb Mediation qualifiziert praktizieren können.
Besonderer Zündstoff lag in den Übergangsbestimmungen. Letztlich wurden auch hier Regelungen gefunden, die unsere gemeinsam erarbeitete Zielvorgabe erfüllten, so dass die Satzung im September 1994 verabschiedet werden konnte, ebenfalls einstimmig.
Die Qualifikation der MediatorInnen wird entscheidend in der Zukunft davon abhängen, welche Anforderungen an ihre Ausbildung gestellt werden. Deshalb haben wir uns als drittes intensiv mit der Institutionalisierung einer Ausbildungsordnung beschäftigt. Um europaweit in etwa von den gleichen Standards auszugehen und eine gegenseitige Anerkennung möglich zu machen, ist die Ordnung inhaltlich und formal mit der 1991 in Paris verabschiedeten „Europäischen Charta zur Ausbildung von Familienmediatoren im Bereich von Trennung und Scheidung“ abgestimmt.
Die Ausbildungsordnung regelt vor allem drei Bereiche:
Voraussetzung für die Zulassung ist grundsätzlich ein abgeschlossenes psychologisches, sozialwissenschaftliches Hochschulstudium, eine juristische Ausbildung oder eine vergleichbare Qualifikation. Die Zulassung setzt eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung voraus und die Möglichkeit, bereits während der Ausbildung Mediation zu praktizieren. Die Lerninhalte sind differenziert nach dem Kernbereich Mediation, den gesellschaftlichen, rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen sowie Kenntnissen zur Ergänzung der Qualifikation aus dem Eingangsberuf.
Die Ausbildung umfasst in der Regel 200 Zeitstunden, in die Supervisionseinheiten eingebunden sind. Zum Abschluss müssen mindestens vier dokumentierte Fälle nachgewiesen werden.
Die Institute bieten seit 1992 Ausbildung an. Die Erfahrungen haben in der Ausbildungsordnung ihren Niederschlag gefunden. Gleichzeitig stellte sich die Frage, welche Kriterien für die Anerkennung der Ausbildungsinstitute maßgeblich sein sollten. Um die Anbindung an die BAFM zu garantieren, müssen hiernach die Ausbildungsleiter/innen Mitglieder der BAFM sein. Von den Mediationsausbilder/innen wird erwartet, dass sie – selbst gründlich ausgebildet – einerseits über breite praktische Erfahrungen und andererseits als Lehrende über qualifizierende Erfahrungen in interdisziplinärer Fort- und Weiterbildung in Mediation verfügen.
Mit diesen drei Säulen – den Richtlinien mit der Schaffung eines in bestehende Berufsfelder integrierbaren Berufsbildes, der Satzung der BAFM mit der Verantwortungszuteilung für spezielle Aufgaben, einer Verbindung der regionalen und überregionalen Vernetzung und der ordentlichen Mitgliedschaft als Qualifikationsnachweis, sowie der Ausbildungsordnung (einschließlich der Kriterien für die Anerkennung der Ausbildungsinstitute) für die Qualifizierung der professionellen Ausübung von Mediation – ist die Basis zu einer Institutionalisierung gelegt.
Im Bewusstsein, dass Familien-Mediation alle professionellen familialen Dienste berührt, ist die BAFM als interdisziplinäre und pluriprofessionelle Organisation an einem kooperativen Zusammenwirken aller Beteiligten zur weiteren Etablierung und Fundierung von Familien-Mediation interessiert.
(Hans-Georg Mähler, eidos Projekt Mediation)