Stellungnahme der BAFM und des BM zum Wechselmodell


Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V. (BAFM) und des Bundesverband Mediation e.V. (BM) zur aktuellen Diskussion über das Wechselmodell

Die Initiative politischer Parteien (FDP und Die Linke), Veröffentlichungen in der Presse (zuletzt: Der Spiegel, Nr. 7/2019), die fachliche Diskussion mit der Mediation nahestehenden Fachverbänden in der Verbandskonferenz der BAFM am 11.02.2019 sowie die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses zum Wechselmodell im Familienrecht vom 13.02.2019, sind Anlass für die BAFM und den BM, sich mit der vorliegenden Stellungnahme an der aktuellen Diskussion zu beteiligen und die Erfahrung aus knapp drei Jahrzehnten einvernehmlicher Konfliktbeilegung in Kindschaftssachen zur Verfügung zu stellen.

1.

Familienmediator*innen sind Anlaufstelle für Familien in Krisensituationen, in erster Linie bei Trennung und Scheidung. Bei der Gestaltung von Umgangs- und Betreuungsregelungen ist das Kindeswohl die Richtschnur. Auch und gerade Familienmediator*innen sind dem verpflichtet. Sind Kinder involviert, gilt unser ganz besonderes Augenmerk daher der Perspektive der Kinder.

Welches Umgangs- und Betreuungsmodell dem Kindeswohl am besten dient, richtet sich dabei nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles. Aus unseren Erfahrungen in  der Mediation gibt es kein Betreuungs- und Umgangsmodell das per se vorzugswürdig wäre.

Als Mediator*innen ist es uns vielmehr wichtig, Eltern in die Lage zu versetzen, alle Perspektiven beleuchten und alle wichtigen Aspekte bedenken zu können, wie das Alter der Kinder, die Anzahl der Geschwister, die Kontinuität der familiären und sozialen Bindungen, die berufliche und wirtschaftliche Situation der Eltern, die Wohnsituation, die örtlichen Gegebenheiten und den – in altersgerechter Weise zu ermittelnden – Kindeswillen. Mediation begleitet und unterstützt Eltern bei ihrer gemeinsamen Entscheidungsfindung. Sie ist das Verfahren, das es ermöglicht, bei der Erarbeitung von Umgangs- und Betreuungsregelungen die individuellen Bedürfnisse und Anliegen der Beteiligten passgenau zu berücksichtigen und so zur bestmöglichen Lösung für das ganze Familiensystem zu gelangen.

Die Modelle guter gemeinsamer Elternschaft sind dabei so vielfältig wie die Lebensentwürfe der Menschen. Die (gesetzliche) Etablierung eines Regelmodells würde der zur Erarbeitung optimaler Lösungen notwendigen Vielfalt der Optionen nicht gerecht.

2.

Vom Gesetzgeber erwarten wir, dass er den Zugang zu allen Betreuungsmodellen lebensnah gestaltet und somit diesen Möglichkeitsraum erweitert.

Gesetzgeberischen Reformbedarf dazu sehen wir u.a. im

•          Kindesunterhaltsrecht

•          Melderecht

•          Steuerrecht

Ferner sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ein Mediationsversuch selbstverständlich wird, wenn Konflikte über Umgangs- und Betreuungsfragen drohen. Hierzu gehört die Etablierung einer Mediationskostenhilfe für bedürftige Eltern. Das erleichtert die Praxis der einvernehmlichen Streitbeilegung, stärkt die Elternverantwortung und entlastet die Gerichte.